Zeitenspiegel Reportagen

Von der Droge zum Dogsitter

Erschienen in "Dogs", Nr.2/2010

Von Autor Jan Rübel

Weil Suchtkranke häufig Hunde haben, versucht die Berliner Einrichtung “IdeFix”, über die Tiere Kontakt zu ihnen aufzunehmen und gemeinsam neue Perspektiven zu finden. Im Fall des Ex-Junkies Ameise mit großem Erfolg.

Kurz nach sieben in der Früh steht Ameise in seinem Bad vorm Waschbecken wie ein Kapitän auf hoher See. Sein Blick bohrt sich in die Badezimmerfliesen. Der Blondschopf mit den stahlblauen Augen umfasst das Becken so fest, als sei es eine Reling. Da streicht ihm Kika um die Beine. Gerade hat ihr Frauchen die Cockerspanieldame zur Aufsicht in Ameises Obhut gegeben. „Gleich, gleich, meine Kleine“, sagt Ameise zu ihr und schiebt sich eine Tablette unter die Zunge. Darin sind acht Milligramm Subutex, ein Heroinersatz.

Während das Opioid in seinem Mund zergeht, bereitet Ameise das Essen zu. Blättermagen für den Cocker Kika, für Toxic, den Wolfsspitz, und für Pitti, den Pitbullmischling. Zu den dreien in einer Reihe gesellt sich Kater Breesike, der vom Hundefutter frisst. „Was denn, Toxic-Söckchen, magst du nicht mehr?“, flüstert Ameise dem Rüden zu und krault ihn hinter dem Ohr.

Ameise, so nennt man den 46-Jährigen seit rund dreißig Jahren. Der Name stammt von einer Punkband namens „Adam and the Ants“, die es schon lange nicht mehr gibt. Damals hatte er sich eine Ameise ins Genick tätowieren lassen, weil ihm schlicht die Vorlage im Laden gefiel. Aber so viel passierte seitdem. Milchstraßen entfernt scheint Ameise heute die Zeit, als es nur um die Hatz nach Drogen ging. Das ist seit mittlerweile sieben Jahren zu Ende. Heute diktieren die Vierbeiner sein Tagewerk.

Kika begleitet er wochentags von 7 bis 17 Uhr, Pitti ist die nächsten drei Wochen bei ihm, und Toxic frisst bei Ameise sein Gnadenbrot. Es ist ein Deal, der allen nutzt: Die Frauchen wissen ihre Lieblinge für jeweils 130 Euro im Monat in guten Händen.

Und Ameise hat seinen Traumjob gefunden, er ist Dogsitter. „Die Hunde erziehen mich mehr als ich sie“, sagt er. Sie haben ihn gelehrt, für andere da zu sein, echte Dankbarkeit zu spüren. Und vor allem eins: wirklich gebraucht zu werden. Ameise beginnt die Morgengymnastik für Pitti. Er führt seine linke Hand an ihr Knie, während die rechte das Bein vorsichtig streckt. Dreimal am Tag muss Pitti sich so dehnen, „das erspart ihr eineinhalb Schmerztabletten gegen ihre Arthrose.“ Ameises Arbeitgeber ist die Berliner Einrichtung IdeFix, ein Projekt der Fixpunkt gGmbH, die sich um Drogenabhängige in der deutschen Hauptstadt kümmert. Derzeit ist IdeFix einmalig in Deutschland. Versuche, das Konzept zu kopieren, gab es viele. Sie scheiterten an Nachbarn und den Drogensüchtigen selbst, an Angst, Ignoranz und fehlender Disziplin. Auch der Kreuzberger Träger muss immer wieder um die Förderung aus öffentlicher Hand bangen.

Doch die IdeFix-Idee geht auf: Suchtkranke besitzen häufig Hunde. Die Szene, in der die Suche nach Stoff fast alles unterordnet, erschwert den Aufbau von zuverlässigen Beziehungen zu Menschen. Mit Hunden ist es einfacher. Oft bleiben sie als letztes Gegenüber, wenn nichts anderes mehr geht. Die Sozialarbeiter von IdeFix gehen den umgekehrten Weg, sie nutzen die Hunde, um sich den Menschen zu nähern.

Es ist kurz nach zwei. Ein paar Steinwürfe von seiner Einzimmerwohnung in Kreuzberg entfernt stemmt Ameise einen Rottweiler auf den Tisch. Minuten vorher hatte er den im ersten Stock des Werkraums von IdeFix frei geräumt für die wöchentliche Tiersprechstunde. „Mein Cosmo ist gebissen worden“, wimmert sein Frauchen, das weniger wiegt als ihr Hund. „Wird er wieder?“ Ameise krault das Kinn von Cosmo Django Diavolo. Am Hals verkrustet Schorf das Fell. „Hol mal bitte Kochsalzlösung!“, sagt Tierärztin Dr. Brigitte L. „Ich will die Wunde ausspülen.“ Ameise lässt den Rottweiler los und eilt zum Medikamentenschrank. Jeden Mittwoch können Drogensüchtige und Substituierte, die ärztlich verordnete Drogenersatzstoffe wie Methadon oder Subutex einnehmen, ihre Hunde für einen Euro ärztlich untersuchen lassen. Voraussetzung: Herrchen und Frauchen müssen Hartz-IV-Empfänger sein. Ameise assistiert der Tierärztin als ehrenamtlicher Helfer. Vorher haben Sozialarbeiter die Daten der Hundehalter aufgenommen, mit ihnen gesprochen. Seit sieben Jahren gibt es den Verein, 480 Hunde samt Halter stehen bereits in dessen Kartei. Heute, in den eineinhalb Stunden unserer Anwesenheit, behandelt die Veterinärin elf Hunde.

Im Nebenraum knabbern Toxic, Kika und Pitti an getrocknetem Lammpansen unter dem Schreibtisch von Sören S., dem Projektleiter von IdeFix. „Heroinkranke erfahren hier etwas für sie Seltenes“, sagt er. „Sie werden ernst genommen.“ So entwickelten sich über den Hund sofort Gespräche, die Sozialarbeiter erführen so leichter, wo sie helfen könnten, sei es bei psychosozialer Begleitung wie Vermittlung von Psychotherapien, bei Behördengängen oder dem Ausstieg aus der Droge. Und sie bringen den Hundehaltern bei, worauf sie bei ihren Gefährten zu achten haben. „Schauen Sie sich mal die Krallen an“, sagt Brigitte L. zur Halterin von Cosmo. „Die sind zu lang, da gehen wir auch gleich mal ran.“ Im Flur sitzen drei Projektteilnehmer vor Computern. „Mehr als drei können wir nicht zeitgleich unterrichten, die Konzentration fällt den meisten schwer“, sagt der IdeFix-Leiter. Weiter hinten packen vier junge Männer Spritzen, Kanülen und Alkoholtupfer in braune Schachteln, bestimmt für die Spritzenautomaten draußen in der Stadt. Die Männer leisten Strafarbeit, die von Gerichten für Delikte wie Geldschulden über sie verhängt wurde. Darüber kam auch Ameise vor sechs Jahren zu IdeFix.

Kurz vor vier hat Ameise die Gummimatte vom Untersuchungstisch geräumt, die Medikamente weggeschlossen und den Computer abgebaut, den er mit den Hundedaten der Sprechstunde gefüttert hatte. Ein kurzer Pfiff, Kika und Pitti eilen herbei. Toxic mit seinen über 23 Jahren läuft hinterher. Ameise streicht sich durch die Haare. Ein Stirnband verstärkt die kantigen Konturen seines Gesichts. Arbeitspause und höchste Zeit für einen kleinen Streifzug durch Kreuzberg. Rund zehn Kilometer läuft Ameise täglich mit den Hunden. Immer auf eins in der Nacht stellt er den Wecker, um die letzte Hunderunde zu gehen. „Lass uns einen Kaffee trinken“, sagt Ameise. Auf dem Weg zum Heinrichplatz müssen Kika und Toxic. Aus einer Tasche zieht Ameise einen Hundekotbeutel. Einen Augenblick später verknotet er ihn, „damit die Pfandflaschensammler da nicht reinfassen, wenn sie im Abfalleimer wühlen“. Zweihundert Meter weiter greift Ameise Pitti plötzlich an den Leib und zieht sie eng an sich heran. „Der Obsthändler hier ist ängstlich, da muss man Rücksicht nehmen.“ Noch ein, zwei Blocks, und Ameise kehrt ein im „Jenseits“, seinem Stammcafé.

Für seine Arbeit als Ein-Euro-Jobber bei IdeFix im Rahmen von Hartz IV erhält er eine Mehraufwandsentschädigung von 180 Euro. Monatlich bleiben ihn nach Mietzahlung, Wasser und Strom noch 400 Euro zum Leben. Dafür übernimmt er Hunde, hilft in der Tiersprechstunde und verkauft auch mal unten im IdeFix-Laden oder produziert Hundezubehör im Sattlerkurs. Das war anfangs alles andere als sein Traumjob.

Nachdem er vor sieben Jahren von der Nadel wegkam, hatte Ameise, der mit seinen stahlblauen Augen und seiner drahtigen Statur so kraftvoll und überzeugend wirkt, mehr als hundert Bewerbungen auf Jobs abgeschickt. Es gab eine einzige Absage, sonst keine Antwort. Heute, sagt Ameise, ist er glücklich, sich eine feste Alltagsstruktur geschaffen zu haben. „Die erst erlaubt mir, angemessen mit den Hunden arbeiten zu können.“ Er entdeckte im Lauf der Jahre, wie vielseitig und anspruchsvoll der Beruf des Hundesitters ist.

Er zerquetscht im Café zwei weich gekochte Eier in einem Glas. „Ein Dreivierteljahr seit der Einnahme von Methadon fing ich 2003 als Aushilfe bei IdeFix an.“ Der Kopf klopfte damals, die Sucht brüllte, Ameise suchte Halt, feste Tagesstrukturen. IdeFix bot ihm den Aufbau eines Lederworkshops an, der Ex-Junkie absolvierte auch den Computerführerschein. Hin und wieder ließen die Sozialarbeiter ihn mit Hunden Gassi gehen. „Ich kriegte mich selbst immer mehr auf die Reihe“, erinnert er sich. Und die Tierärztin erkannte sein Talent im Umgang mit Hunden sofort – an seiner Ruhe, seiner Bestimmtheit. Vier Jahre nach seiner letzten Heroinnadel war es soweit: Man vertraute ihm Hunde zur Dauerpflege an. Ameise übernahm die Problemfälle, aggressive Pitbulls und bissige Staffords. Heroinsüchtige, die sich auf Entzug in die Klinik begaben, hatten ihre Lieblinge bei IdeFix zur Obhut abgegeben. „Für diesen Job musste ich doppelt stabil sein.“ Etliche Hundesitter seien wieder abgestürzt, als sie Dauerpfleglinge übernahmen und ihnen die festen Strukturen vom IdeFix-Laden fehlten. „Tiere aber können sich nicht wehren. Man darf sie nicht als Krücken für irgendwelche Drogenprobleme missbrauchen.“ Keinen Fehltag habe er in den über drei Jahren gehabt, sagt er.

Ameise sei kein Hundeflüsterer, die gebe es nur im Kino. Aber er kommuniziert mit Hunden, sagt er, wo andere schweigen. Erkennt, was oft untergeht. Leise und eindringlich murmelt er mit Pitti und Kika – beide wollen wie Toxic lieber nach draußen vor das Café. „Ich kann sie nicht allein ohne Aufsicht lassen“, sagt Ameise. Besonders Pitti verlangt sehr viel Aufmerksamkeit. Ihr Frauchen, ein zwischen Paris, Berlin und München pendelndes Model, hatte sie aus einem Tierheim geholt. Viel Vernachlässigung hatte die Hündin bis dahin erlebt, sie galt als bissig, aggressiv. So wie früher Toxic. „Der ist bei mir auf seinem Dauerurlaub ruhiger geworden“, lächelt Ameise, „und ein alter Kreuzberger.“ Ein ehemaliger Drogenabhängiger hatte ihn bei Ameise öfter in Pflege gegeben, dann haute Toxic endgültig ab und wartete auf Ameise am Mariannenplatz. „Ich bin sicher, dass er meine morgendliche Route kannte“, so Ameise.

Toxic hat einen Ruf in Kreuzberg. Ein Straßenhund, den Deniz aus seiner Currywurstbude und der Zeitungsverkäufer vorm Bahnhof Görlitzer Straße grüßen und der in seinen besseren Zeiten allein mit der U-Bahn fuhr. Das letzte Mal vor vier Jahren, da waren sechs Polizisten am Bahnhof Friedrichstraße hinter ihm her, „er zwickte gleich viere und sprang in die Bahn“, erzählt Ameise. „Leider in die falsche, mit der fuhr er bis nach Spandau.“ Zwei Tage später fand Ameise ihn im Tierheim wieder. Seitdem lässt Toxic es ruhiger angehen. Allein die Gelenkentzündung zwingt ihn dazu. 120 Euro zwackt Ameise alle sechs Wochen von seinen Einnahmen ab, damit Tabletten Toxic die Schmerzen nehmen. Der Wolfsspitz lungert draußen vorm „Café Jenseits“ in der Sonne, kratzt sich hin und wieder am rechten Ohr, ein Alphatier in Rente. Auch Ameise ist ein Alphatier, stand mal an der Spitze einer hundertköpfigen Punkergang im Berlin der frühen Achtziger, als ein regelrechter Krieg mit den Poppern tobte. Schließlich kam Ameise wegen der vielen Schlägereien, bei denen die Opfer neben einem intakten Nasenbein auch ihre Geldbörsen einbüßten, für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Davor hatte er ein Leben im Zeitraffer hinter sich gelassen: Mit 13 von daheim im Grunewald ausgebüxt, dann obdachlos auf den Straßen Berlins unterwegs oder im „Rauchhaus“, dem berühmtesten besetzten Haus Kreuzbergs, untergekommen. Das Leben wurde zur Party. „Immer hatte ich Angst, etwas zu verpassen, immer wollte ich Action.“ Er fühlte sich stark. Unwiderstehlich. Das wurde sein Verhängnis.

Nach dem Knast hatte er tolldreiste Pläne. Viel Geld ließ sich nur als Künstler verdienen, das stand fest. Ameise schauspielerte in Kino- und Fernsehfilmen, träumte parallel vom Erfolg seiner Metalband, in der er trommelte. Den Durchbruch erhoffte er sich schließlich als Designer. Er verschuldete sich mit Zehntausenden Mark, um Möbel zu tischlern. „Ich dachte, wenn ich mit einer Lastwagenladung bei Ikea vorfahre, nehmen die mich sofort.“ Die Möbel wurden nie fertig. Stattdessen öffnete sich ein schwarzes Loch, für eine Zeit von sechzehn Jahren. Seine Freundin fing mit dem Spritzen von Heroin an. Ameise, finanziell am Boden, drückte mit. „Damit waren die Probleme erstmal weg.“ Vorbei auch die täglichen Streitereien mit der Freundin. „Zugedröhnt herrschte bei uns eitel Sonnenschein.“

Die ersten zwei Jahre habe das Zeug „geballert“, es habe ihm gutgetan, meint Ameise. Die dreizehn folgenden habe er sich nur noch darum gekümmert, „keinen Affen zu kriegen“, den Entzugsschmerzen zuvorzukommen, um an Stoff zu gelangen und nicht weiter aufzufallen vor den Freunden, denn die wussten nichts von seiner Sucht. Warum hast du dir das angetan? „Mann, das war der Weg des scheinbar geringsten Widerstands. Vor Problemen rannte ich immer weg, das klappte auch. Aber dann holten sie mich ein.“ Nach außen hin bewahrte Ameise den Schein des Gesunden. Er vermied den Kontakt zu anderen Drogenabhängigen, saß stattdessen lange Jahre Tag für Tag einfach nur vor dem Fernseher.

Wie es Heroinkranken indes auch ergehen kann, das beschreibt jener Platz in wenigen Augenblicken genau, auf den Ameise selbst als Süchtiger keinen Fuß gesetzt hatte: Das Kottbusser Tor in Berlin­Kreuzberg ist keine feine Braut, buhlt um niemanden. Ein Trotz umweht den Platz. Weil Polizeirazzien den Drogenhandel am Bahnhof Zoo stark erschwert haben, ist das Kottbusser Tor seit achtzehn Jahren der Umschlagplatz Berlins für Heroin. Wie in Zeitlupe suchen seine Klienten im Sommer die wenigen Quadratmeter Schatten, im Winter die windgeschützten Ecken, beides gibt es kaum. Den Platz durchschneiden vier Straßen, ein Kreisel und eine Hochbahn. In den Katakomben der U­Bahn bieten die vielen verschachtelten Gänge genügend Raum für den Handel mit Schore oder Braunem, wie die Süchtigen ihre Droge zu verniedlichen versuchen.

Oben stehen zwei weiße Fiat­Busse mit einem Zeltvordach an der Seite. Sie sehen aus wie liegen gebliebene Campingwagen auf Durchreise. Im vorderen nimmt Ila G. einen Beutel mit gebrauchten Spritzen entgegen, zum Tausch gegen neue. „Kannst du mal halten?“, fragt ein Mann im Blaumann mit schulterlangem schütteren Haar und reicht ihr die Leine zu einem Schäferhund. „Na, die ist ja süß, seit wann hast du denn die?“, fragt Ila zurück und verwickelt ihren Klienten in ein Gespräch. Das ist ihr Job.

Die Sozialarbeiter von Fixpunkt betreiben im Aids­Präventionsmobil dreimal in der Woche gesundheitliche Aufklärung, bieten gesundes Essen an, heute wird Linsencurry ausgegeben. Und sie sondieren, wie sie helfen können. Ila G. erkennt an den verengten Pupillen des Mannes seine Heroinsucht, dass er nur noch mit Mühe durch den Alltag kommt. „Ich hab das Püppchen seit vier Wochen“, sagt er und hält die Hündin mit beiden Händen an der Leine fest, „von einem Kumpel, der ist plötzlich weg.“ „Sie ist recht schlapp“, sagt Ila G. „Trinkt sie viel?“ Die 33­Jährige gibt ihm einen Zettel mit den Terminen der IdeFix­Tiersprechstunde und ruft einen Kollegen für eine Rechtsberatung an. „Vielleicht ist ihr Halter im Gefängnis gelandet, das kann man rauskriegen.“ Ila G. kümmert sich bei den Mobilen von Fixpunkt um die Hundehalter. „Über die Vierbeiner kommen wir leichter ins Gespräch. So merke ich, wer reif ist für Hilfe.“ Es käme immer auf den richtigen Zeitpunkt an, meint die engagierte Frau. Für IdeFix wirbt sie bei den Haltern auch für eine Kastrationsaktion, die noch gesponsert werden muss. „Die Tiere vermehren sich sonst in der Szene zu stark.“ Hunde seien für Drogensüchtige zwar eine Stütze, meint die Mitarbeiterin, und ihre Besitzer kümmern sich im Grunde nicht schlechter um ihre Tiere als andere auch. „Aber Suchtkranke sind mit der Welpenaufzucht und der Vermittlung junger Hunde oft überfordert.“ Das Problem ist verdreht: Vielen Fixern wird es leicht gemacht, sich vor dem Entzug vom Heroin zu drücken, weil die meisten Kliniken keine Hunde akzeptieren.

Ameise schaffte den Absprung vor sieben Jahren. Wieder ging seine Freundin voran, diesmal in den Entzug vom Heroin. Er begann wieder, Musik zu hören, harte Metalbands, was Kraft verlieh und Impulse freisetzte. „Ich stand vor einer Weggabelung. Länger hätte ich das nicht durchgehalten.“ Heute steht Ameise im Verkaufsraum von IdeFix in der Dresdener Straße hinter dem Tresen und platziert darauf Teller mit Lebermuffins, Buletten und Dinkelstangen. Die Leckerbissen sind begehrt, immer stehen zwei oder drei Kunden im Laden. „Habt ihr noch Lammpansen?“, fragt ein Typ im Nadelstreifenanzug. „Gefroren oder getrocknet?“, fragt Ameise zurück. Die Truhe mit der Kühlware wurde auf seinen Rat angeschafft, sie steht neben einem Regal mit selbst gefertigten Halsungen und Leinen. Viele Drogenabhängige üben bei IdeFix, was Arbeit ausmacht. Es wird gebacken, genietet, eingefroren. Darüber ist Ameise längst hinaus, nur noch die Subutex-Tablette am Morgen erinnert ihn an seine Vergangenheit. „Auf diese innere Krücke will ich noch nicht verzichten.“ Er schaut fast täglich bei IdeFix vorbei. „Das ist mir alles hier ans Herz gewachsen“, sagt er. „Ich bin zwar inzwischen genau das geworden, wogegen ich mich 42 Jahre lang gewehrt hab, nämlich ein gut funktionierender Spießer. Das einzig Bedenkliche daran ist höchstens, dass ich mich sauwohl dabei fühle.“ Vielleicht schaut Ameise deshalb so entschlossen, als müsste er es verteidigen, um daran festzuhalten. „Ahoi!“, sagt Ameise und wedelt mit dem Arm. Feierabend. Toxic, Kika und Pitti folgen ihm in die Abendsonne, in Reih und Glied, wie im Gleichschritt geht es voran.