Zeitenspiegel stellt aus
Ein Leben in der Fotografie: Fotografen von Zeitenspiegel zeigen in der Galerie der Stadt Fellbach Bilder zu Themen, die ihnen seit langem am Herzen liegen. Die Ausstellung dauert noch bis zum 15. Januar 2023.
Rainer Kwiotek etwa reist seit mehr als 15 Jahren regelmäßig nach Äthiopien, trifft Menschen, die Hunger leiden müssen, keinen Zugang zu sauberem Wasser und Bildung haben, keine Gesundheitsversorgung, kaum Perspektiven. “Mit den ausgestellten Bildern möchte ich bewusst eine andere Seite von Äthiopien und seiner Bevölkerung zeigen. Das fröhliche und unbeschwerte Leben. Die spektakuläre Landschaft. Alltagsszenen abseits von Hunger, Krisen und Krieg.”
Oder Frank Schultze: Über Jahre hinweg begleitete er eine Gruppe junger Muslime, die sich gegen religiösen Radikalismus und Gewalt engagiert. “Am Ende der Arbeit hatte ich viele Bilder. Und die große Herausforderung war es, sie gut zusammenzustellen”, sagt Frank. “Eben, die Ausgewogenheit zwischen der Aktion als Gruppe und dem Alltagsleben zu finden.”
Durch die Fotografie von Christoph Püschner ziehen sich Krieg, Flucht und Vertreibung. “Kurz nach dem Fall der Mauer, den ich vor 31 Jahren als Fotojournalist hautnah miterlebte”, sagt er, “war ich davon überzeugt, dass nun der Kalte Krieg zwischen den Großmächten mit all seinen Stellvertreterkriegen endgültig beendet sei.” Eine Illusion, schon 1992 holte ihn bei der verhängnisvollen Evakuierung von 54 Heimkindern aus der von bosnischen Serben belagerten Stadt Sarajevo die Realität ein.
Vor sieben Jahren reiste Sascha Montag erstmals zur grönländischen Insel Uummannaq, um über das nördlichste Kinderheim der Welt zu berichten. “Dort verlor ich mein Herz”, so sein Resümee. “Die Begegnung mit den Kindern und ihren Betreuern hat mich nachhaltig beeindruckt. Die Arbeit in dem Heim ist geprägt von menschlicher Wärme und Zuneigung - und das pädagogische Konzept versucht ganz stark, die immer weiter verlorengehenden Traditionen der Region wie Jagen oder Musizieren in den Alltag der Kinder zu tragen.”
Ivo Saglietti fuhr zehn Jahre lang in ein kosovarisches Dorf, in dem der stern-Reporter und Zeitenspiegel-Freund Gabriel Grüner in den Neunzigern erschossen worden war. Einmal im Jahr dokumentierte Ivo die Entwicklung, die das Dorf genommen hatte.
Éric Vazzoler stellt in Fellbach acht Porträts von jungen Teilnehmern an Workshops aus, die er selbst seit Jahren auf Russisch in Kasachstan leitet.
Der Titel der Ausstellung lautet “Was uns bewegt”. Was also treibt die Zeitenspiegel-Fotografen an?
“Obwohl ich schon früher mit der Fotografie begonnen hatte”, sagt Éric, “kam die Entscheidung, sie zu meinem Leben zu machen, mit dem Tod meines Vaters - als ich 13 Jahre alt war. Die Fotografie ist für mich sicherlich ein Mittel, um die Zeit festzuhalten, die vergeht, und um eine Erinnerung an die Begegnungen, die ich herbeiführe, zu bewahren.”
Christoph dagegen zeigt Bilder von Kriegen und Krisen, “diese Fotos geben Zeit und Gelegenheit, sich mit den Menschen und ihren Schicksalen hinter den Schlagworten auseinanderzusetzen”.
Bei Ivo gibt es einen ähnlichen Antrieb. “Ich möchte lernen, wie sich der Mensch in komplizierten und gefahrvollen Situationen verhält”, sagt er. “Ich möchte ihn verstehen.”
Bei Saschas Arbeit stehen die Probleme von Kindern und Jugendlichen im Zentrum - und die Einrichtungen, Projekte und Menschen, die ihnen helfen. “Dieser Schwerpunkt hat wahrscheinlich mit meiner Ausbildung als Sozialpädagoge zu tun.”
Franks Antrieb ist es, “neugierig auf Themen zu sein und mich darauf mit Herzblut einzulassen. Ich liebe es, meine Bilder zu gestalten und ihnen in der Nachbearbeitung meinen Stempel aufzudrücken.”
Für Rainer ist Fotografie Ausdruck eines Ankommens. “Ich habe in meinem bisherigen Leben viele Berufe ausgeübt: Ich war Kunstschmied, Augenoptiker, Privatdetektiv und Karatelehrer. Zur Fotografie kam ich über Umwege, und sie begeistert mich bis heute.” Sie ermögliche ihm, vor der Haustür oder weit weg Menschen und ihre bewegenden Geschichten kennenzulernen, ihre Träume, ihre Ideen, ihre Schicksale, ihre Kämpfe. Und das, was sie antreibt.
Sechs Wege, sechs Stile. Und viel Gemeinsamkeit – noch in Fellbach zu sehen für kurze Zeit.