Zeitenspiegel Reportagen

Schüler machen "mare"

08.12.2008

Für das gerade erschienene mare-Sonderheft “Captain’s Dinner” hat sich die Redaktion des Hamburger Magazins eine Kooperation der besonderen Art einfallen lassen: Absolventen der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl in Reutlingen haben alle Reportagen des Heftes geschrieben, Fotostudenten der Fachhochschule Hannover haben dazu fotografiert. Die Zusammenarbeit der sechs jungen Reporterpaare fand auf vier Kontinenten statt. Anke Lübbert und Felix Seuffert führte die Arbeit nach Japan, Ulf Schubert und Henning Bode nach Kanada, Markus Wanzeck und Verena Müller reisten nach Island, Selina Byfield und Franz Bischof nach Peru, Sara Mously und Lucas Wahl nach Israel und Julia Rommel und Michael Hauri nach Frankreich.

Die Reportagen erzählen Geschichten rund um den Fischfang.

Zurück kamen die Reporter-Teams mit vielen guten Fotos und vollen Notizblöcken. Aber auch einigen Erfahrungen. Nicht immer klappte es vor Ort mit der geplanten Geschichte wie erhofft und so mussten Fotografen und Reporter hier und da improvisieren und auch Stehvermögen zeigen. Zum Beispiel in Island, wo die Fotografin auf dem Schiff der Rotbarschfänger in den Gewässern der isländischen Westmänner-Inseln schon seekrank wurde, als der Fischdampfer gerade eben aus dem Hafen auslief. Fotograf Seuffert und Reporterin Lübbert mussten gar unter Wasser recherchieren, denn die mare-Redaktion erwartete für ihre Reportage über die Seeigel-Taucherinnen von der Insel Iki auch Unterwasserfotos und “hautnahe” Erlebnisse. Für Seuffert waren es die ersten Tauchfotos seines Lebens.

Auch in Marseille gab es Probleme: die Reporter stellten fest, dass die Bouillabaisse entgegen ihren Erwartungen längst kein Arme-Leute-Essen war und in normalen Haushalten wegen der hohen Preise der Zutaten und des großen Aufwandes beim Kochen kaum noch auf den Tisch kommt. Ihre Reportage über die Bouillabaisse spielt deshalb überwiegend in den Küchen nobler Restaurants ab.

Eher amüsant sind dagegen die Erlebnisse, die Henning Bode und Ulf Schubert während ihrer Reportage an der Ostküste Kanadas hatten. Wenn sie von den skurilen Anekdoten im kleinen Lobsterfischer-Ort Souris berichten, dann hört es sich an wie Passagen aus Annie Proulx Weltbestseller “Schiffsmeldungen”, der ebenfalls in einem kleinen Fischerort an der kanadischen Ostküste spielt.

Gelernt aber haben bei den mare-Reportagen alle Reporter eine Menge. “Gerade weil auf einer solchen Reportagereise nicht immer alles vorhersehbar ist”, sagt Henning Bode, “musst du als Fotograf flexibel und beweglich sein.” Und Selina Byfield findet: “Ein solches Heft zu machen ist für viele Journalisten einfach nur ein Traum. Für uns wurde dieser Traum gleich nach dem Abschluss der Reportageschule zur Wirklichkeit.”

Die Idee für dieses studentische Heftprojekt hatte mare-Chefredakteur Nikolaus Gelpke. Vor 11 Jahren kreierte der schweizer Meeresbiologe mit seiner Zeitschrift “mare” eine der bemerkenswertesten Neuveröffentlichungen der Printszene. UEberhäuft mit Preisen, ist “mare” mittlerweile zu einer qualitativen Größe im Printjournalismus geworden. Umso schwerer wiegt die Auszeichnung, dass Chefredakteur Nikolaus Gelpke, der ansonsten die Creme-de-la-Creme des Journalismus beauftragt, für das Sonderheft “Captains Dinner” sechs Absolventen aus Reutlingen und Fotostudenten aus Hannover eine Chance gab.