Zeitenspiegel Reportagen

"Da lassen wir uns gern belächeln"

Erschienen in "Welt am Sonntag", 8. Oktober 2006

Von Autor Jan Rübel

CSU-Politiker Peter Ramsauer erklärt den Bayern die Gesundheitsreform.

    

     Von Jan Rübel

     Endlich betritt er die heile Welt. Sie begrüßt ihn mit einem Tusch auf      Bayerisch. Zum Defiliermarsch schreitet er in den Pfarrheimsaal, die      Leute auf den dicht aneinandergestellten Bänken heben zum Gruß den      Bierkrug. Es ist Freitagabend. Alles ist gut. Niemand sieht, wie müde      Peter Ramsauer tatsächlich ist.

     Es war ein harter Tag. Um zehn vor sieben am Morgen hatte ihn ein      Reporter beim Radiointerview gefragt, wie er denn dem kleinen Mann      erkläre, dass er wieder einmal tiefer in die Tasche greifen müsse, und      Peter Ramsauer, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ärgerte sich.      Der Tag hatte begonnen, an dem er zu erklären suchte, was eigentlich      gut sein soll an der Gesundheitsreform. Jenes Projekt, auf das sich      die Koalitionsspitzen in der Nacht auf Donnerstag geeinigt hatten.      Landauf, landab nennt man es nur: Murks.

     Er hat heute nichts anderes getan. In einem BMW ist Ramsauer durch      Ober- und Mittelfranken gefahren, von Termin zu Termin, aber die      Reform war immer schon vor ihm da. Auch in Waldthurn in der Oberpfalz,      wo die Leute eigentlich nur das 60-jährige Bestehen ihres      Ortsverbandes feiern. Hier endlich jubeln sie ihm zu.

     Details sind nicht wichtig. Bayern ist wichtig. “Du bist der      mächtigste CSU-Mann in Berlin”, begrüßt ihn auf dem Podium der      CSU-Wahlkreisabgeordnete Albert Rupprecht. “Wir sind die      Interessenvertreter Bayerns. Das mag jemanden in Norddeutschland nicht      tangieren, aber hier für uns ist das ein Riesenthema”, sagt Rupprecht.      Applaus.

     Bei den nächtlichen Verhandlungen hatte die CSU, hatten Parteichef      Edmund Stoiber und Ramsauer die sogenannte Länderklausel durchgeboxt.      Nicht mehr als 100 Millionen Euro sollen aus einem Land in den      Finanzausgleich der Kassen fließen. Viele sagen dazu abschätzig:      “Bayern-Klausel”. Weil das Land Bayern viel wohlhabender ist als      andere.

     Ramsauer ist müde. Mit beiden Händen umfasst er sein Glas Weißbier.      Sechs Stunden hat er insgesamt in den beiden vergangenen Nächten      geschlafen. Er gibt sich einen Ruck, geht zum Podium und schaut      plötzlich wie ein Bergführer vor dem Jodeln. Ramsauer singt das      Hohelied der Arbeit.

     “Manche meinen, uns fällt in Bayern der politische Erfolg vom Himmel”,      sagt er. “Das muss aber alles erarbeitet werden, da lassen wir uns      gern von anderen belächeln.” In Bayern habe man 1945 bei null      angefangen. Man habe die Ärmel hochgekrempelt. Bayern, Bayern, Bayern.      Politischer Erfolg in Bayern bemisst sich daran, wie viel Männer wie      Ramsauer in Preußen für Bayern herausholen.

     In Waldthurn spricht Ramsauer nicht vom Morbi-RSA, dem Finanzausgleich      zwischen den Krankenkassen. Nicht von der Konvergenzregel und auch      nicht von der Überforderungsklausel. Er erzählt nicht, was gut sei an      der Reform. Er sagt nur, was die CSU verhindert hat. Finanzausgleich:      “Wenn es nach der SPD gegangen wäre, hätten wir 1,7 Milliarden Euro      draufgelegt.” Private Kassen: “Die SPD wollte sie bluten lassen. Wir      sichern ihren Bestand.” Das kommt an, hier in Waldthurn. Die      Trachtenkapelle Müllner, im Jahr 1582 gegründet, spielt auf zum      “Pongauer Buam”-Marsch. Ramsauer geht zum Tisch, er nimmt einen tiefen      Schluck. Schaut her, sagt sein Blick, das habe ich für euch getan.      Bayern, Bayern, Bayern.