"Da lassen wir uns gern belächeln"
Von Jan Rübel
Endlich betritt er die heile Welt. Sie begrüßt ihn mit einem Tusch auf Bayerisch. Zum Defiliermarsch schreitet er in den Pfarrheimsaal, die Leute auf den dicht aneinandergestellten Bänken heben zum Gruß den Bierkrug. Es ist Freitagabend. Alles ist gut. Niemand sieht, wie müde Peter Ramsauer tatsächlich ist.
Es war ein harter Tag. Um zehn vor sieben am Morgen hatte ihn ein Reporter beim Radiointerview gefragt, wie er denn dem kleinen Mann erkläre, dass er wieder einmal tiefer in die Tasche greifen müsse, und Peter Ramsauer, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, ärgerte sich. Der Tag hatte begonnen, an dem er zu erklären suchte, was eigentlich gut sein soll an der Gesundheitsreform. Jenes Projekt, auf das sich die Koalitionsspitzen in der Nacht auf Donnerstag geeinigt hatten. Landauf, landab nennt man es nur: Murks.
Er hat heute nichts anderes getan. In einem BMW ist Ramsauer durch Ober- und Mittelfranken gefahren, von Termin zu Termin, aber die Reform war immer schon vor ihm da. Auch in Waldthurn in der Oberpfalz, wo die Leute eigentlich nur das 60-jährige Bestehen ihres Ortsverbandes feiern. Hier endlich jubeln sie ihm zu.
Details sind nicht wichtig. Bayern ist wichtig. “Du bist der mächtigste CSU-Mann in Berlin”, begrüßt ihn auf dem Podium der CSU-Wahlkreisabgeordnete Albert Rupprecht. “Wir sind die Interessenvertreter Bayerns. Das mag jemanden in Norddeutschland nicht tangieren, aber hier für uns ist das ein Riesenthema”, sagt Rupprecht. Applaus.
Bei den nächtlichen Verhandlungen hatte die CSU, hatten Parteichef Edmund Stoiber und Ramsauer die sogenannte Länderklausel durchgeboxt. Nicht mehr als 100 Millionen Euro sollen aus einem Land in den Finanzausgleich der Kassen fließen. Viele sagen dazu abschätzig: “Bayern-Klausel”. Weil das Land Bayern viel wohlhabender ist als andere.
Ramsauer ist müde. Mit beiden Händen umfasst er sein Glas Weißbier. Sechs Stunden hat er insgesamt in den beiden vergangenen Nächten geschlafen. Er gibt sich einen Ruck, geht zum Podium und schaut plötzlich wie ein Bergführer vor dem Jodeln. Ramsauer singt das Hohelied der Arbeit.
“Manche meinen, uns fällt in Bayern der politische Erfolg vom Himmel”, sagt er. “Das muss aber alles erarbeitet werden, da lassen wir uns gern von anderen belächeln.” In Bayern habe man 1945 bei null angefangen. Man habe die Ärmel hochgekrempelt. Bayern, Bayern, Bayern. Politischer Erfolg in Bayern bemisst sich daran, wie viel Männer wie Ramsauer in Preußen für Bayern herausholen.
In Waldthurn spricht Ramsauer nicht vom Morbi-RSA, dem Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen. Nicht von der Konvergenzregel und auch nicht von der Überforderungsklausel. Er erzählt nicht, was gut sei an der Reform. Er sagt nur, was die CSU verhindert hat. Finanzausgleich: “Wenn es nach der SPD gegangen wäre, hätten wir 1,7 Milliarden Euro draufgelegt.” Private Kassen: “Die SPD wollte sie bluten lassen. Wir sichern ihren Bestand.” Das kommt an, hier in Waldthurn. Die Trachtenkapelle Müllner, im Jahr 1582 gegründet, spielt auf zum “Pongauer Buam”-Marsch. Ramsauer geht zum Tisch, er nimmt einen tiefen Schluck. Schaut her, sagt sein Blick, das habe ich für euch getan. Bayern, Bayern, Bayern.