Zeitenspiegel Reportagen

Eine Reisereise

Erschienen in "natur" 05/2022

Von Autor Markus Wanzeck

Einst ein Abenteuer für Auserwählte, wurde das Reisen zum massenhaften Konsumgut, mit hohen Umwelt- und Klimakosten. Was ist es, das uns hinauszieht in die weite Welt? Und wie finden wir, was wir suchen, ohne es zu zerstören? Eine Suche nach Antworten – per Fernbus, per Zug, per pedes.

Reisereise-Route

Der Traum vom Ausbruch aus dem Alltag, vom freien und unbekümmerten Leben – wer hätte ihn nicht schon mal geträumt? Alles hinter sich lassen, den gepackten Rucksack schultern und einfach loswandern … Ist nicht von mir. Ist von Achill Moser, einem der Großmeister des Reisens. Er hat 28 Wüsten durchwandert und bei Nomadenvölkern gelebt. Bücher darüber geschrieben. Filme gemacht. Seit einem halben Jahrhundert lebt er für das und fast ebenso lange vom Reisen. Zusammen mit seinem Sohn, ebenfalls Reisejunkie, tourt er in ausverkauften Multivisionsshows durch Deutschland: „Das Glück der Weite“, „Sehnsuchtsorte“, „Safari zum Himmel“.

Keine Frage, der Mann versteht was vom Fernweh. Ich blättere in Achill Mosers Buch „Zu Fuß hält die Seele Schritt“, in dem die eingangs zitierten Sätze stehen. Es ist ein Plädoyer für die einfachste Form der Fortbewegung. Das Gehen. Das Wandern. „Denn das Gleichmaß der eigenen Schritte“, schreibt Moser, „ist der Nährboden für einen beflügelten Geist.“

Ein beflügelter Geist? Käme mir gelegen, denn ich möchte einer Frage nachgehen, die mich schon länger umtreibt. Wir verreisen immer öfter, weiter, rastloser. Ich reise, also bin ich: Ein Selbstverständnis, das selbstverständlich geworden scheint, weil … ja, warum eigentlich? Was ist es, das uns wieder und wieder hinauszieht in die weite Welt? Und was macht das mit dieser Welt? Wie können wir ihre Schönheit erleben, ohne ihr Schaden zuzufügen?

Um Antworten zu finden, so dachte ich mir, würde ich mich am besten selbst auf eine Reise begeben. Eine Reise zu Profis für nachhaltiges, naturnahes, umweltbewusstes Reisen. Eine Reisereise sozusagen, die sich selbst zum Gegenstand hat. Ich werde den Buchtraum wahrmachen: Alles hinter mir lassen. Den gepackten Rucksack schultern. Loswandern.

Erste Etappe: Hamburg

Die erste Etappe soll meinen Geist beflügeln. Eine Wanderung, zu Wüstenwanderer Achill Moser. Praktischerweise wohnt er in Hamburg, nur ein paar Stadtteile nordöstlich von mir. Ein letzter Blick auf die Karte – sollte in einer Stunde machbar sein. Eine letzte Gewichtskontrolle des Rucksacks – 12,1 Kilo, exklusive Proviant und Wasser, inklusive Klamotten und Kamera, Laptop und Bücher. Noch einmal öffne ich den Rucksack. Obenauf liegt Mosers „Zu Fuß“-Buch. Das bleibt hier. 400 Gramm Ballast gespart. „Der Mut zum Weniger steigert die Intensität des Erlebens.“ Steht in dem Buch.

Ein kühler, sonniger Sonntagnachmittag. Zwei nach zwei. Die Tür fällt ins Schloss. Die Reisereise beginnt.

[…]

Ein Spezial zum Thema nachhaltiges Reisen, erschienen in natur 05/2022.