Zeitenspiegel Reportagen

In den Straßen von Moabit

Erschienen in “stern”, 41/2008

Von Autor Jan Rübel

Als kleine Jungen waren sie gut in der Schule. Sie wollten Arzt werden, Richter oder Astronaut. Dann wurden sie junge Männer und entdeckten, dass Respekt anscheinend wichtiger ist als Lernen und Beruf. Aber niemand respektierte sie. Und heute? Heute wissen sie nicht weiter, sind arbeitslos, vorbestraft. Die Geschichte von Khaled, Hamad Sherif, Rams und Sonu, die sich nicht „Gang“ nennen, sondern „Familie“.

Khaled sagt: „Da hat der Teufel mit mir gespielt.“ Hat ihm einen Schlagring auf die rechte Hand gesteckt und ihn hinabgeschickt: Drei Treppenstufen auf einmal, Khaled flog über sie hinweg, der Kopf klopfte, das Herz auch. Noch im Schwung holte Khaled aus, schon beim ersten Schlag platzte Mehmets* Hinterkopf auf, halb drehte er sich um, da stieß Khaleds glitzernde Faust in seine Nase. Mehmet fiel gegen eine Werbevitrine voller Bücher. Durch ihr Glas fraß sich ein Riss.

Khaled und Mehmet, in den Katakomben standen sie sich gegenüber, die Augen weit geöffnet. Zuerst waren sie nur Rivalen, hatten sich kritisch beäugt, Wochen später beleidigten Worte die Ehre der Familie. Und nun der Ausbruch. Khaled keuchte, Blut tropfte auf den Betonboden. Mehmet hielt sich den Kopf und rannte weg. Khaled schaute ihm nach, „ich war wie gelähmt, Mann!“ Irgendjemand zog ihn schließlich weg, hinaus ans Tageslicht und in ein Auto, schnell davon.

Khaled zündet sich eine Zigarette an. In der Ecke im Halbdunkel liegen leere Eisteekartons, auf dem Glastisch stehen volle Aschenbecher. Über die Schlägerei in der Birkenstraße will er nicht mehr sprechen, hier, in ihrem Reich: eine Minivan-große Bude inmitten von Kellerparzellen für 120 Euro im Monat, unter dem Bahnbett am Hansaplatz. Hier chillen Khaled, sein Bruder Hamad Sherif, Sonu und Rams, der gerade an die Stahltür klopft: „Was ist los, Brüder?“ – „Assalamu alaikum.“ Sie umarmen sich, klopfen Schultern und lächeln. Rams hat miese Laune heute, er musste früh raus, Spielplatzfegen als Jugendstrafe für eine Schlägerei.

Rams, Khaled und Hamad Sherif sind kurdische Libanesen, Sonu ist Deutsch-Inder; alle sind in Berlin geboren, um die 19 und gehören zu den jungen Männern, die oft die Schlagzeilen beherrschen. Erst prügeln Migrantenkids in München einen Rentner halb tot und müssen für viele Jahre ins Gefängnis. Dann veröffentlicht die Berliner Polizei eine Statistik, nach der die Zahl der Gewalttaten von Einwandererkindern ungemein hoch ist. Rams steht auf. „Ich scheiße auf die deutschen Politiker“, sagt er, „die sehen nur Statistiken, Mann, die sind doch alle Opfer.“ Soll heißen: Die sind schwach, weinerlich und wenig entspannt, in einem Satz: der Straße kaum gewachsen.

Khaled und sein Cousin Rams überqueren den Hansaplatz, die Kapuzen tief im Gesicht. Gegen beide zusammen sind mehrere Dutzend Anzeigen erstattet worden, wie viele genau, wissen sie nicht. Die meisten wegen Körperverletzung. Auf dem Weg nach Alt-Moabit weichen die Hochhäuser um den Hansaplatz verwaschenen Altbauten, eng aneinandergeschmiegt wie in einer Bucht. Die Makler werben hier mit „Wohnen am Bundeskanzlergarten“. Dass es im Hinterhof der Macht in Moabit West eine Arbeitslosenquote von 25 Prozent gibt und rund ein Drittel der Bewohner Einwanderer sind, schreiben sie in ihren Prospekten nicht. Auch kaum, wie günstig man in Moabit säuft. „Jeder zweite Schnaps gratis bis 12 Uhr“, steht auf einem Kneipenfenster. Khaled und Rams schlendern die Turmstraße hinab. Dabei behalten sie die vielen Passanten im Blick, als erwarteten sie jederzeit etwas Unvorhergesehenes. Die Strafe von heute Morgen, sagt Rams, sei ungerecht gewesen. „Ich hab nichts gemacht, ehrlich, Mann.“ Mit Freunden war er vor zwei Jahren bei der Einweihungsfeier des Hauptbahnhofs gewesen, ein Betrunkener habe wohl einen anderen angemacht und dafür eine Backpfeife kassiert, sagt er. „Aber nicht von mir.“ Ein Polizist jedoch will Rams erkannt haben. Vor dem Richter hatte er keine Chance. So ist es, wenn man die Aussage verweigert, keinen Anwalt, aber Vorstrafen hat.

„Die Justiz spricht Recht nach Laune“, da ist Rams sicher. Er erzählt von seinem Sündenregister, als gäbe es kein Entkommen, Schicksal eben. Vor ein paar Jahren sah er im Staat noch nicht die „anderen“, mit denen man nicht spricht. Mit zwölf gehörte er zu den Klassenbesten, wollte Arzt werden. Hamad Sherif wollte damals Richter werden, Khaled Diplomkaufmann und Sonu Astronaut. Alle vier hatten gute Noten, sie gingen gerade auf die Realschule und hatten das Gymnasium im Blick, da passierte etwas. Rams: „Ich sah, wie man ältere Jungs respektierte, die hingen alle in Gangs ab.“ Khaled: „Ab der siebten Klasse muss man sich beweisen – nicht in der Schule, sondern vor ihr, auf der Straße.“ An einem Schnellimbiss passieren die beiden eine Gruppe Kapuzenpulliträger: breite Schultern, finsterer Blick, ausgestreckte Hand; wie im Spalier klatschen Khaled und Rams die vier ab und gehen wortlos weiter. „Siehst du“, sagt Khaled, „das wollte ich damals: auf der Straße mit Handschlag begrüßt werden.“ Eine Geste des Respekts halt. Respekt. Achtung.?Mit der Schule konnte man nicht prahlen in ihrer Welt. Mit einer Narbe am Hinterkopf schon. Und alle vier stürzten sich in ein Geflecht archaischer Faustkämpfe um Ehre und Ansehen. Weil das viele um sie herum so machten. Und weil sie sich da-rin gefielen. Es war so einfach. „Wenn du einen Kampf verlierst, bist du ein Hund“, sagt Khaled über früher. „Dann hast du keine Mauer mehr, keinen Schutz, und alle schauen auf dich herab.“ Schlage, um nicht geschlagen zu werden. Ehre ist eine Burg. Sonu kommt aus einem Geschäft. Khaled und Rams nehmen ihn in ihre Mitte. Massig schiebt er seinen großen Oberkörper über den Bürgersteig. „Das ist einfach in uns drin: Brust raus auf der Straße“, sagt Sonu, „und niemals das Gesicht verlieren.“ Ein stark entwickeltes Männlichkeitsbewusstsein, das hart gegen deutsche Realitäten stößt. „Im Libanon achten sich die Leute viel mehr als hier“, sagt Khaled. Hier, das ist der Busfahrer, der sieben Deutsche ohne Ticketkontrolle hineinlässt und dann Khaleds Fahrschein genau studiert. Oder Lehrer B., der sagt: „Jedem das Seine.“ Der die Zwei beim Deutschen kritisiert und die Drei beim Araber als „Meisterleistung“ kommentiert. Und da ist Lehrer S., der, Sonu erinnert sich noch genau da-ran, auf sein Heft spuckt und sagt: „Ihr bringt es doch eh zu nichts.“ Mit zwölf macht das schnell wütend. „Da nahmen wir uns den Respekt mit Fäusten“, sagt Khaled. Während die Teenager in Moabit zu Kiezgrößen heranwuchsen, war für die Schule immer weniger Platz. „Klug sein war schwul“, erinnert sich Rams. Bei den Lehrern eckten sie an, die reagierten immer gereizter auf ihr Machogehabe. Selbst Kleinigkeiten führten zur Explosion. Als Sonu einmal zu spät zum Unterricht kam und den Lehrer mit „Oh, shit, Herr Schmidt“ begrüßte, flog er von der Schule. Khaleds Vater versuchte gegenzusteuern, schickte seinen Sohn in der zehnten Klasse in eine Schule nach Frohnau, da waren nur Deutsche. Khaleds Welt war das nicht. Nur selten fuhr er in den Norden Berlins zum Unterricht. Am letzten Schultag aber, als er noch einmal hinging für das Zeugnis, in seine weiße Alpha-Fliegerjacke und stolzen Trotz gehüllt, war er der Einzige seines Jahrgangs ohne mittlere Reife. Da schämte er sich.

„Heute könnte ich mit Schule angeben“, sagt Khaled. Zu spät: Ein Gutachter der Arbeitsagentur habe ihm Schulunfähigkeit attestiert, sagt er. Auch die anderen drei blieben schulisch auf der Strecke, stehen ohne Ausbildung auf der Straße.

Stolz darauf sind sie nicht, auch nicht auf die Anzeigen. Die Gründe dafür, das ahnen sie genau, liegen letztlich nur bei ihnen selbst. „Ich war so schnell gereizt“, sagt Rams, „manchmal erkannte ich mich selbst nicht mehr.“ Sonu sagt, er habe früher „nicht über die Mauer gesehen“, die Folgen nicht erkannt. „Jetzt tun meine Schläge auch mir weh.“

Die Eltern wollten es nicht wahrhaben. Redeten auf Hamad Sherif, Khaled, Rams und Sonu ein. Flehten, schrien, und so mancher Vater schlug auch mal. Heute gehört der Kampf längst nicht mehr zum Alltag, nur manchmal bricht Hass auf, wie bei der Abreibung im U-Bahnhof Birkenstraße. Wenn die vier von ihren Eltern sprechen, ist da Liebe – und Respekt.

Es ist kalt. Khaled verabschiedet seinen Cousin mit drei Wangenküssen und nimmt die U-Bahn nach Norden. Die Familie wohnt seit einem Jahr im Märkischen Viertel, der Vater wollte, dass seine Söhne aus Moabit wegkommen.

Doch sie stranden immer wieder hier, so wie heute, an einem dieser vielen Nachmittage. Im gewohnten Rhythmus sind Hamad Sherif, Khaled, Rams und Sonu weit nach zwölf aufgestanden. Die vier kicken sich mit Schlaf in den Augen einen Fußball zu. Der berührt minutenlang nicht den Boden; so spielt, wer lange Jahre draußen war. Die Sonne steht hoch und grell über der Sportanlage am Hansaplatz. Hier hängen die vier oft rum, wenn sie nicht wissen, wie sie ihren Tag beginnen sollen. Wohin ihre sich regenden Kräfte fließen sollen. Eine Gang sind sie nicht, „wir sind eine Familie“, sagt Hamad Sherif.

Jetzt jongliert Rams allein mit dem Ball. Sonu wirft eine Zeitung in seine Richtung. Khaled zieht eine Grimasse. Und Hamad Sherif kitzelt ihn von hinten. Die Pille bleibt in der Luft. Da schmeißen sich alle drei auf Rams und lachen. Einen Moment später schauen sie wieder alle ernst und entschlossen, wissen aber nicht, wozu. Einen Job, eine Familie, Kinder, das wollen sie. Aber wie? Nach ihrer langen Suche nach Ehre und Respekt haben sie eine Art Zwischenwelt erreicht. Sie sind bereit für den Eintritt in das Leben der Erwachsenen. Nur öffnet ihnen keiner die Tür. Lediglich vier Prozent aller Ausbildungsstellen in Berlin gehen an Ausländer ohne deutschen Pass. Sonus Zeitung liegt geöffnet auf dem Asphalt. Erstmals seit sieben Jahren gibt es in Deutschland mehr Ausbildungsplätze als Bewerber, titelt die Schlagzeile. Die vier lachen. Das tun sie oft, auch, wenn es nichts zu lachen gibt. ?Der stern machte die Probe: Khaled bewarb sich auf 30 Ausbildungsangebote zum Friseur. Der stern schickte zeitgleich bei denselben Adressaten einen deutschen Namen mit gleicher Qualifikation ins Rennen. Ergebnis: Khaled erhielt nicht mal eine Absage, der deutsche Name zwei Einladungen zum Gespräch. Derweil stag-niert die Gewalt unter Einwandererkindern auf hohem Niveau. Aber umso stärker wächst ihre Armut.?„Ich schwöre dir, ehrlich kommt man in Deutschland nicht weiter“, sagt Hamad Sherif. Er schüttelt Staub von seiner weißen Jogginghose. Bis 2005 durften die nur geduldeten kurdischen Libanesen nicht einmal einen Job suchen. Absurde Politik zwang sie über Jahrzehnte hinweg in die Sozialsysteme. Das prägt. Heute, sagt Hamad Sherif, lohnt ein richtiger Job doch nicht. Hartz IV und Schwarzarbeit, dazu kleine Geschäfte hier und dort: Ein Friseur verdient weniger.

Eine Woche später ein Anruf: Khaled ist im Knast. „Ey, Alter“, ruft er aufgeregt in den Hörer, „die machen das, weil ich ein Rapper bin.“ Vor drei Tagen hatten vermummte Polizisten die Wohnung von Khaleds Eltern gestürmt – wegen der Sache in der Birkenstraße. Für Khaled war längst alles klar gewesen, er hatte sich mit Mehmet versöhnt. Aber ein Zeuge setzte das staatsanwaltliche Uhrwerk in Gang; drei Wochen lang tickte es leise, dann schlug es los. Irgendwo in Thüringen sei er nun, sagt Khaled. Und klingt am Ende verzagt.

Nicht nur Khaleds Festnahme schlägt den Jungen auf den Magen. In der „Bude“ am Hansaplatz sitzt Sonu vor dem Rechner und dreht die Beats auf. Die fetten Klänge machen den engen Raum plötzlich viel größer. Er hat eine Anzeige am Hals, wegen Diebstahls. „Meine Tante rief mich gestern an, ich sollte meinen Cousin aus dem Park abholen“, erzählt er. Der hat eine schwere Psychose. Als Sonu im Park ankam, so sagt er, verdrückte sein Cousin mit Freunden gemeinsames Diebesgut aus dem Penny-Markt gegenüber: Chips und Schokolade. Dann kam die Polizei. Und Sonu wurde festgenommen, als angeblicher Anführer. Weil er sein Maul aufriss. Weil er groß erschien und bedrohlich. Weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Das passiert ihm oft und Rams, Hamad Sherif und Khaled auch.

Jetzt brüllt er ins Mikro, 135 Kilogramm verteilt auf 1,93 Meter, begleitet von getragenen Klängen und gebrochenen Takten aus dem PC. Hab so viel Scheiße erlebt/jeden Tag hab ich gefleht, dass ein/Engel zu mir kommt/mir meine Hoffnung wieder schenkt/bis die Trauer sich senkt/Mein Herz ist gefroren, aber die/Seele, sie brennt.

Sonu, Rams, Khaled und Hamad Sherif sind eine Familie, und ihr Haus ist der Rap. Sie waren zwölf, als ihre kreativen Energien nicht mehr in die Schule flossen, sondern in die Musik. Sie nennen sich Brotherz & Kings; sie rappen von der Straße, vom Glauben und der Liebe und der Hoffnung. Das Geprahle von Ghetto, Gangster und Gewalt, mit dem sich Rap-Millionäre gern mühen, haben sie längst hinter sich.

Am Ende des Songs wischt sich Sonu den Schweiß von der Stirn. Seine Tante wolle wegen der Sache mit Penny einen Brief an die Staatsanwaltschaft schreiben, sagt er. „Inschallah“, sagt Hamad Sherif und nimmt ihn in den Schwitzkasten.

Die vier schauen immer hin und nie weg. Das sorgt in Deutschland für Missverständnisse. Vielleicht werden sie deshalb ein-, zweimal in der Woche von der Polizei angehalten und untersucht. Das macht ruppig. Und fordert nur heraus, den Harten zu spielen.?Nach zehn Tagen Haft kommt Khaled frei. Er sitzt auf einem weißen Sofa und bläst Rauchringe ins Wohnzimmer. Die Eltern sind nicht da, in ihrer Gegenwart raucht er nie, aus Respekt. Blumen und kleine Figuren stehen auf dem gläsernen Salontischchen, in strenger Ordnung, die Wände tragen Pastellfarben. Hier ist alles Frühling. Khaled schweigt. Wir hatten genug geredet, draußen auf dem Weg nach Hause. Am Ende war Khaled losgesprungen und hatte einen imaginären Sandsack mit einer Kaskade von Schlägen eingedeckt. „Das in der Birkenstraße war großer Mist“, hatte er schließlich gesagt, während er aus seinen Händen einen Käfig machte, indem er die Fingerspitzen gegeneinanderpresste. Eine Leere sei in ihm hochge-krochen, als er Mehmet an der Glasvitrine liegen sah. Der Hass sei verflogen gewesen, auf einmal, und auch jedes Gespür für Sinn. Aber da sei noch was gewesen: „Ich kann doch meine Ehre nicht vergessen!“ Jetzt sitzt er hier oben im Wohnzimmer und raucht stumm. Weit reicht der Blick aus dem Fenster im neunten Stock des Mietwohnungsturms.

Khaled wartet auf Alina, seine große Liebe. Die ihn zurückholen will aus seiner Welt der Gewalt und die jetzt so sauer ist, wegen der Schlägerei. Seit eineinhalb Jahren sind er und die nun 16-Jährige ein Paar, jeden Tag sehen sie sich. Und jeden 21. eines Monats feiern sie, weil sie an solch einem Tag zusammengekom-men sind. Dann gehen sie essen oder ins Kino, wie heute, und träumen vom Heiraten. „Sitzen meine Haare?“, fragt er schließlich. Khaled hat Glück. Es ist drei Monate später, der Richter hat ihn zu „kognitivem Training“ verurteilt. Einzelgespräche, Gruppendiskussionen und viel Sport zum Abreagieren, hat der Richter gesagt. Sonu hat sich für die zehnte Klasse in der Realschule angemeldet, die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren wegen des Diebstahls im Supermarkt eingestellt – jetzt will er es noch einmal wissen. Die anderen verharren: Rams nutzt das gute Wetter zum Fußballspielen, Hamad Sherif bastelt Tag und Nacht an neuen Songs. Khaled muss zum Sozialarbeiter in einem Vereinsbüro drei Stationen nördlich vom Hansaplatz. Der mustert ihn wie ein kostbares Ei von Fabergé. „Die Beleidigung deiner engsten Leute war zu viel Verantwortung für dich“, sagt der Pädagoge verständnisvoll. Die Ehre, die Familie, die Gerechtigkeit. „Das musst du auf mehrere Schultern verteilen.“ Noch so ein Ding, hatte man Khaled klargemacht, und er kriegt zweieinhalb Jahre Gefängnis ohne Bewährung. Immer wenn er wütend wird, soll er in Gedanken eine Mauer um sich ziehen, sagt der Sozialarbeiter. Tief einatmen und die Finger seiner rechten Hand abzählen. Danach soll er über die Mauer nach draußen klettern. Eins, zwei, drei, vier. Khaled öffnet die Augen, er sagt: „Ich brauch eine Zigarette.“ Und geht raus.

*Name von der Redaktion geändert