Zeitenspiegel Reportagen

Was macht eigentlich Florian Freistetter?

Erschienen in "bild der Wissenschaft", Nr. 03/2015

Von Autor Jan Rübel

Zwei Tage im Leben des Astronomen und Wissenschaftsbloggers

Nikolaustag 2014. Der Himmel an diesem Samstag sieht aus, als wolle er einem auf den Kopf fallen. Mattgrau spiegelt ihn die Glasfassade auf dem Campus Berlin-Buch, in der sich eine Tür öffnet. Es ist 16 Uhr. Der Mann, der die Sterne auf die Erde holt, betritt das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie. Florian Freistetter ist Astronom. Aber heute zoomt er anderes ganz nah heran: das Innenleben einer Zelle.

Ein Freund hat ihn eingeladen, anzuschauen, an was er forscht: an einer neuen bildgebenden Technologie für zellbiologische und neurobiologische Fragen. Der Physik-Doktorand André Lampe will ihm ein Schmuckstück zeigen – ein hochauflösendes Fluoreszenzmikroskop.

Eigentlich ist Freistetter in Berlin, um einen Vortrag zu halten. Der 37-Jährige wohnt in Jena, ist aber oft unterwegs für Vorträge und Lesungen. Insgesamt sechs Bücher hat er schon geschrieben. Um die Verpflichtungen herum legt er Besuche an Orten, wo er „auftanken“ kann und neues Wissen schöpft, wie hier bei André Lampe. Darüber schreibt er täglich in seinem Wissenschafts-Blog „Astrodicticum Simplex“ unter scienceblogs.de. Der Name steht für einen „Sternweiser“, einen Himmelsglobus, den der Jenaer Astronom Erhard Weigel Ende des 17. Jahrhunderts erfand. „Das Wort war bei Google noch unbekannt, das hilft bei der Suche“, gibt Freistetter eine weitere Begründung für die Namenswahl. Mit dem Blog bestreitet er sein Auskommen: Rund 1000 Euro erbringen die Werbebanner im kostenlosen Astrodicticum Simplex monatlich, hinzu kommen Honorare für Vorträge und Artikel, hin und wieder ein Buch. Freistetter schreibt über Themen, die ihn interessieren. Dachte er früher im Hörsaal rein lösungsorientiert, denkt er heute auch in Geschichten.

„Deutschlands bekanntester Wissenschaftsblogger“ nennt ihn die Neue Osnabrücker Zeitung, und „Erklär-Bär“ hat ihn das Berliner Radio Fritz getauft, wegen seiner Fähigkeit, einen Vortrag auf Universitätsniveau so zu halten, dass jeder ihn versteht. Rund 400 000 Seitenaufrufe im Monat verzeichnet sein Logbuch im Netz. Ein Leser und Hobbyastronom benannte einen von ihm entdeckten Asteroiden nach ihm. 2012 erhielt Freistetter den Deutschen IQ-Preis, 2014 wurde sein Buch „Der Komet im Cocktailglas“ in Österreich als „Wissenschaftsbuch des Jahres“ ausgezeichnet.

Und wie bestreitet ein Blogger den Alltag? Die Antwort klingt exzentrisch: Indem er es genießt, sich Wissen anzueignen – und dieses mit anderen zu teilen. „Ich weiß noch nicht, ob ich über meinen Besuch etwas schreiben werde“, sagt er. Dann betritt Freistetter – freie Stirn, kurzer gepflegter Bart, graue Jeans und Wanderschuhe – ein Labor im Keller des Leibniz-Instituts, in dem ein autogroßes schwarzes Gehäuse steht, das Mikroskop.

André Lampe hat für den Besuch eine Zellprobe – Fibroblasten einer Maus – mit einem Farbstoff präpariert. „Wir haben ein Mikroskop, bei dem wir die Beleuchtung und Detektion selber gebaut haben“, sagt er, „aus verschiedenen Filtern und Lasern. In den Zellen haben wir Farbstoffe an bestimmten Zellstrukturen, um diese sichtbar zu machen – das Besondere ist aber hier, dass wir die Farbstoffe zum Blinken bringen.“ Das Mikroskop erreicht eine Auflösung von 200 Nanometern. Der Durchmesser eines menschlichen Haars beträgt 7500 Nanometer. Der Coup dann: „Wir hauen da ein wenig Mathematik drauf.“ Mit einem Trick wird das Beugungsprinzip unterlaufen, wonach man nicht sehen kann, was kleiner als die halbe Wellenlänge des Lichts ist. Das Forscherteam hier kommt so auf bis zu 25 Nanometer an die Zelle heran.

Freistetter fotografiert mit seinem Handy, stellt Fragen zu „SD-dSTORM“, wie das hier angewandte Verfahren der „Spectral Demixing Direct Stochastical Optical Reconstruction Microscopy“ heißt. Immer wieder zückt er ein Notizbuch mit einem Konterfei Albert Einsteins auf dem Cover und schreibt hinein. Dort hat er Rubriken geschaffen wie „Themen“, „Buch-Rosetta“ oder „Ideen für Zeitungsartikel“.

Mathematik „draufhauen“ – das mag er. Freistetter kam über die Faszination der Zahlen zur Astronomie, er schlief als Kind nicht in „Star Trek“-Bettwäsche. In der Schule war er zwar noch mit eher bescheidenen Mathematiknoten beurkundet. Doch faszinierte ihn die Lektüre von Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ derart, dass er, im niederösterreichischen Krems geboren, in Wien Astronomie zu studieren begann. Schnell fand er seinen Schwerpunkt in der Himmelsmechanik, bei der Berechnung der Bewegung astronomischer Objekte. Magister und Doktorat jeweils mit Auszeichnung, drei aufeinander folgende Postdoktorandenstellen – von denen die vorletzte ihn nach Jena führte. Seit 2011 arbeitet Freistetter als freier Wissenschaftsautor und Blogger, eine moderne Version des Privatgelehrten, der seine Studien autonom betreibt. Wenn er von seinem Wohnort Jena schwärmt, möchte man fast selbst hinziehen. „Die Stadt ist stark vom Universitätsleben geprägt“, sagt er, „das schafft ein spannendes Klima und viel Kulturleben“. Zu seiner dritten und letzten Postdoc-Stelle sei er immer gependelt. Die thüringische Großstadt: „Durch die Geographie des Saale-Tals lang und schmal – man ist schnell draußen im Wald.“

Sein Handy klingelt, es ist der Ton der „Tardis“, jener Raum-Zeit-Maschine aus der Science-Fiction-Serie „Dr. Who“. Ein, zwei Mailbox-Nachrichten, dann scrollt Freistetter über seine Accounts bei Facebook und Twitter, während André Lampe das Labor abschließt. Ein Blogger müsse seine „Community“ pflegen, sagt Freistetter: Kommentare zu seinen Einträgen beantworten, Diskussionen moderieren. Die Distanz im Netz zwischen Autor und Leser ist viel kürzer als in herkömmlichen Medien. Im Laufe der beiden Tage, an denen wir ihn begleiten, greift er im Stundentakt zu seinem Handy und tippt kurz los.

Es ist 19 Uhr, Freistetter fährt ins Hotel. Morgen ist ein voller Tag. Auf dem Weg in die Berliner City unterhalten wir uns über seinen Werdegang und seine Haltung zur Wissenschaftspolitik.

Warum sind Sie nicht Hochschullehrer geworden?

Nun, so einfach wird man das nicht. Nach dem Doktorat muss man sich über befristete Verträge durchschlagen, dann ist man Mitte 40 – und hat die Chance, sich mit vielen anderen auf eine der sehr wenigen Dauerstellen zu bewerben. Das hätte mir natürlich gefallen. Und den Weg dorthin habe ich auch begonnen – aber dann die Lust verloren. Jedes Jahr einen neuen Job an einem neuen Ort anstreben, keine vernünftige Zukunftsplanung. Es hätte für mich weitergehen können, aber diese übrigens auch nicht üppig bezahlte Selbstaufopferung der Wissenschaftler erschien mir immer weniger attraktiv. Ich liebe die Wissenschaft, will aber auch ein Privatleben haben. Beides zusammen ist unmöglich? In dieser prekären Situation sicherlich nicht. Mit einer 80-Stunden-Woche ist man noch am unteren Limit – und beurteilt wird man an der Zahl der Publikationen. Wer also durcharbeitet und auf Privates oder auch auf Wissensvermittlung verzichtet, hat in diesem System die besseren Karten. Ich wollte mein Leben und meine Arbeit selbst bestimmen, und machte mein eigenes Ding.

Ist unser Wissenschaftssystem denn effizient?

Die befristeten Stellen sind durchaus sinnvoll – wir jungen Wissenschaftler müssen ständig neu lernen wie Handwerker, die auf der Walz sind. Nur ist das Ganze ausgeartet. Wer zum Beispiel einen Zwei-Jahres-Vertrag an einem neuen Institut erhält, braucht ein halbes Jahr, um sich einzuarbeiten. Dann beginnt die vernünftige wissenschaftliche Arbeit für ein Dreivierteljahr – dann muss man schon bald Anträge für Drittmittel schreiben, um im Anschluss nicht wieder arbeitslos zu werden. Das geht zu Lasten der Forschung.

Was sollte verbessert werden?

Es müsste mehr auf fünf Jahre befristete Stellen geben. Dadurch könnten junge Wissenschaftler besser arbeiten. Und es sollten wie in den USA sogenannte Tenure-Track-Stellen geschaffen werden: Nach einer gewissen Zeit erfolgt eine Bewertung nach klaren Kriterien, und man hat die Chance auf eine Dauerstelle. Die Strukturen für die Zeit zwischen Diplom und Professur fehlen in Deutschland schlicht.

Was Freistetter sagt, leuchtet ein. Es ist so, als würde man einem Lehrling sagen: Wenn du es in 14 Jahren nicht zum Geschäftsführer geschafft hast, fliegst du raus. Welches Unternehmen denkt so? Freistetter jedenfalls hat seine Ein-Mann-Firma gegründet. Und startet gerade durch.

Der Sonntag beginnt mit einem Milchkaffee im „Reinhard’s“ am Kurfürstendamm. Um zwölf Uhr trifft Freistetter eine Moderatorin von „TM Wissen“, einer Wissenssendung von „Servus-TV“. Von ihr will er erfahren, wie sie wissenschaftliche Themen einem breiten Publikum vermittelt.

Seit 2011 hat Freistetter rund 4100 Beiträge für seinen Blog geschrieben, für heute hatte er bereits einen Eintrag vorbereitet. Im „Reinhard’s“, einem Café mit Wiener Charme – große Fenster und vanillefarbene Wände – stellt Freistetter seinen Digitalrekorder auf einen kleinen Dreiständer; das Interview mit Yasemine Blair wird er zu einem Podcast für seinen Blog verarbeiten. „Viele Wissenschaftler kommen mit einem schweren mentalen Rucksack in die Sendung“, sagt die Moderatorin. Ihre Aufgabe sei es dann, sie zum verständlichen Reden zu bringen, komplizierte Wissensthemen herunter zu brechen. Freistetter wird rasch analytisch, fasst zusammen, hakt nach. Er fragt, ob Wissenschaftler mehr selbst kommunizieren sollten, oder ob sie das eher Journalisten überlassen sollten. „Universitäten sollten offensiver ihre Themen vermitteln“, findet Blair.

Freistetter macht sich auf zum nächsten Termin: Um 14 Uhr beginnt sein Vortrag im Literaturhaus, zwei Steinwürfe vom Café entfernt. Über „Fremde Welten und außerirdisches Leben“ soll er sprechen, eingeladen haben ihn die „Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg“.

Während er seinen Laptop auf einem kleinen Rundtisch an die Tontechnik im Saal anschließt, sprechen ihn erste Leser seines Blogs an, bitten um Signierung seines letzten Buchs „Rosetta – Rendez-Vous im All“. Freistetter ist angespannt, es ist 13:45 Uhr, der Saal füllt sich, und er muss eigentlich noch einen letzten Blick auf seine Powerpoint-Präsentation werfen. Aber er hört einem Mittfünfziger geduldig zu, nickt freundlich. Und kaut Kaugummi.

Als sein Vortrag pünktlich beginnt, lauschen 80 Zuhörer. „Kann man mich so hören?“, fragt Freistetter laut ohne Mikro – und redet frei weiter. Er beginnt einen Rundumschlag zur Geschichte der Astronomie, referiert über die Weltanschauungen von Demokrit und Aristoteles, schlägt den Bogen zu Galileo und seinem Teleskop bis zu Wilhelm Herschel und der Entdeckung des Uranus im Jahr 1781. Seine Rhetorik wirkt nüchtern, unspektakulär und fast hastig, aber man will ihm trotzdem weiter zuhören. Freistetter kombiniert theoretische Abhandlungen mit praktischen Beispielen: „Staub wird eben immer mehr, wenn man sich nicht darum kümmert. Im Weltall hat niemand sauber gemacht. Und wo Staub ist, können Planeten entstehen.“

Nach einer Stunde lauscht das Publikum noch immer. Bei der Fragerunde meldet sich ein Jugendlicher, erzählt von mexikanischen Piloten, die Außerirdische dokumentiert hätten, aber Freistetter winkt ab. „Das würde jetzt zu nichts führen“, sagt er – in Erwartung anderer Fragen. Tatsächlich beschäftigt sich Freistetter als Astronom in seinem Blog ausgiebig mit den Pseudowissenschaften, agiert als Aufklärer gegen Astrologie und Ufologie, was ihm mehrere Hassvideos im Netz eingebracht hat.

Gegen 15:40 Uhr leert sich langsam der Saal. Fünf Zuhörer stehen bei Freistetter, lassen sich Bücher signieren. Er schaut auf die Uhr. Vor seinem nächsten Termin kann er noch ein bisschen recherchieren – welche Rolle Astronomie im Alltag spielt. „Das geht überall“, sagt er. Sein Ziel heute: der Berliner Alexanderplatz, wo sein Hotel steht. Bei der Fahrt mit der S-Bahn unterhalten wir uns über die Zukunft der Sternenforschung. Es dunkelt, der Zug fliegt vorbei an blätterlosen Bäumen im Tiergarten.

Glauben Sie, dass es Leben dort oben irgendwo gibt?

„Ich bin fest davon überzeugt, dass es anderswo Leben auf Planeten gibt. Aber dabei wird es sich eher um Bakterien, Algen oder ähnliches handeln. Die Frage nach intelligentem Leben ist eine ganz andere. Wir haben noch zu wenige Informationen, um konkrete Aussagen machen zu können. Auf unserem Planeten gibt es Leben schon sehr lange; Intelligenz aber erst seit kurzem. Hier bin ich Agnostiker: Vielleicht gibt es intelligentes Leben, vielleicht auch nicht.”

Und wenn man außerirdisches Leben entdecken würde?

Das wäre für mich das die wichtigste Erkenntnis, zu der die Menschheit gelangen kann.

Interessieren sich mehr Menschen für Astronomie als früher?

Es ist leichter geworden sich zu informieren – daher gibt es heute mehr Menschen, die sich mit dem All und der Raumfahrt auseinandersetzen. Aber echtes Interesse an der astronomischen Wissenschaft ist gering. Generell ist Wissenschaft in Deutschland ein Nischenthema in den Medien. Schauen Sie sich die Fernsehsendung „Galileo“ an: Dort versteht man unter „Wissenschaft“ die Präsentation des größten Hotdogs der Welt …

… weil sich die Menschen eben nicht für Wissenschaft interessieren?

Weil die Themen nicht vermittelt werden. Meine Erfahrung ist, dass Leute hinschauen und hinhören, wenn man gut und unterhaltend erzählt. Da kann ein Thema auf den ersten Blick noch so trocken anmuten.

Kurz vor 17 Uhr erreicht Freistetter den Alexanderplatz. Er will in einem Blog-Eintrag erläutern, wo man im Alltag überall Astronomie trifft. Ein kurzer Blick, dann fliegt sein Stift übers Notizbuch: Zum Stahlbeton der Brücke an der Liebknechtstraße – „gleiche Wärmeausdehnungskoeffizienten von Stahl und Beton, das hängt von den grundlegenden Eigenschaften der Atome ab, die in den Zentren der Sterne gebildet werden“. Oder die Verkleidung des Berolina-Hauses – „das ist Muschelkalk. Meere entstehen und verschwinden wegen der Bewegung der tektonischen Platten, die durch die enormen Temperaturen im Erdinneren angetrieben werden. Astronomen schauen nicht nur nach oben, sondern auch nach unten.“ Oder die Weltzeituhr mit ihrer Angabe der verschiedenen Zeitzonen – „während der deutschen Fürstentümer hatte noch jede Stadt ihre eigene Zeit, und ihre Messung war eine urastronomische Aufgabe“.

Der Spaziergang könnte länger gehen, aber Freistetter hat es eilig. Zum Ausklang trifft er sich mit Lesern seines Blogs und Hörern seiner Podcasts – eine Art Blinddate der Wissenschaftskommunikation auf dem Weihnachtsmarkt vorm Charlottenburger Schloss. Auf dem Weg dorthin unterhalten wir uns in der S-Bahn über das Verhältnis zwischen Bloggen und Wissenschaft.

In Deutschland sind rund 800 000 Wissenschaftler in Lohn und Brot. Wie viele bloggen?

Keine Ahnung, aber es werden zu wenige sein.

Wird in anderen Ländern mehr gebloggt?

Die Bereitschaft, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, ist woanders größer als bei uns. Ich habe einmal in Deutschland mit einem Professor für wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit gesprochen – der wusste nicht einmal, was ein Podcast ist. Da fehlen noch viele Grundlagen. In den USA sind Online-Medien als Informationsquellen mehr akzeptiert als hier.

Woran liegt das?

Ich weiß es nicht. Vielleicht gibt es hierzulande eine stärkere Beharrungskultur. Blogger gelten oft als diejenigen, die einfach das schreiben, was ihnen gerade einfällt. Als wäre das Blog ein Medium für trivialen Unsinn. Dabei hängt der Mehrwert nicht vom Medium ab, sondern vom Inhalt.

Was unterscheidet Bloggen von journalistischer Arbeit?

Mein Blog zeigt meine persönliche Sicht auf die Dinge. Ich schreibe also durchaus subjektiv. Sein Gang ist locker und schnell zugleich. Seit genau einem Jahr joggt er, täglich zehn Kilometer. Im Dezember 2013 hatte sich Freistetter eine Waage gekauft, die angezeigten 114 Kilogramm für zu viel bewogen und nach einem Sport gesucht. „Laufen ist am effektivsten“, sagt er. Und: „Man kann sich umsehen, die Landschaft genießen. Mittlerweile erledige ich einen Teil meiner Recherchearbeit beim Laufen – mittels Podcasts und Hörbüchern.“ Im September 2014 lief er seinen ersten Marathon. Heute wiegt er 65 Kilogramm. „Ich machte keine spezielle Diät, esse nur bewusster, achte auf Zucker und Fett.“

Am Zaun zum Charlottenburger Schloss trifft Freistetter gegen 19 Uhr auf rund 20 Leute – sie kennen sich nicht persönlich. „Ich habe dich in meinem Kopf viel älter gesehen“, sagt Freistetter zu einem Mittzwanziger mit kahl rasierten Seiten und Pferdeschwanz, mit dem er manche Diskussion in seinem Blog geführt hat. Man duzt sich. Das Internet ist manchmal fern und nah zugleich. Die Leute diskutieren über ihre Versuche, einen Blick auf die Polkappen des Mars zu erhaschen, oder auf den Venustransit. „Die Lichtverschmutzung in Berlin ist einfach zu groß“, schimpft einer. „Er erinnert mich an Hoimar von Ditfurth“, sagt ein anderer Blogleser über Freistetter. „Denn er agiert als Aufklärer gegen Pseudowissenschaften und als Verfechter für den Hunger nach Wissen.“ Vorerst aber geht es um den Durst. Freistetter lächelt, in der Hand eine Flasche Stigl-Bier aus Österreich. „Ich weiß von fünf Astronomen, dass sie vorher Bierbrauer waren – um ihre Forschungen zu finanzieren.“ Freistetter muss kein Bier brauen. Er hat einen Blog. Er nimmt einen tiefen Schluck und setzt das Gespräch mit den Leuten um sich herum fort, die wie er verstehen wollen, was hier und dort oben passiert.

JAN RÜBEL .. von Zeitenspiegel Reportagen lernte in zwei Tagen mehr übers Universum als in seinem Leben zuvor. Beim Jupiter!